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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 30.12.2007


Wir verstehen uns wunderbar
Anna Opel

Charlotte Rampling und Jean Rocherfort als ungleiches Paar, das nach dreißig Jahren wieder kämpft, Kränkungen überwindet und sich in den Kissen wälzt. französische Komödie mit erstklassiger Besetzung




Schön übertrieben

Auf der Suche nach einer pfiffigen Location für seinen nächsten Film verschlägt es den erfolgreichen französischen Komödienregisseur Louis Ruinard (Jean Rochefort) in London in einen Homo-Club. Während er sich, um den Türsteher zu überzeugen, mit schwarzer Ledermütze und Bikerjacke bekleidet, einen Weg zwischen gediegenen Clubsesseln und bizarr Kostümierten bahnt, nuschelt er seiner Assistentin Rageaud (Isabelle Nanty) zu: "Das können wir nicht machen. Sonst heißt es bloß wieder, ich übertreibe." Und schon trippeln ihm Lord Evleyn Gaylord und dessen Butler Randall in gewagt knappem schwarzen Lack über den Weg.

Ja, einiges an dieser schrillen Komödie ist reichlich übertrieben. Gerade das macht allerdings Spaß an diesem handwerklich perfekten und visuell opulenten Film.

Glamouröse Vorgeschichte

Der Lord mit dem sprechenden Namen ist der adlige Ehemann, der mit über sechzig Jahren strengen, aber strahlenden Schönheit Alice d´Abanville (Charlotte Rampling), einer Schauspielerin, die in jungen Jahren mit dem charismatischen Franzosen liiert war. Heute ist Alice Shakespearedarstellerin auf einer eher kleinen Londoner Bühne. Gemeinsam drehten Louis und Alice ihre wichtigsten Filme, sie waren das glamouröse Traumpaar der europäischen Filmwelt bis Alice in einer Nacht und Nebelaktion ihre Koffer packte. Sie wollte sich nicht länger von Louis betrügen lassen.

Englisch-französischer Stellungskrieg

In der Jetztzeit des Films, dreißig Jahre nach der Trennung, hat Alice ihre Kränkungen keinesfalls überwunden. Sie soll dem immer noch charmanten Franzosen einen englischen Filmpreis überreichen und knirscht darüber mächtig mit den Zähnen. Um ihm unmissverständlich mitzuteilen, dass sie das nicht aus Freundschaft tut, zitiert sie ihn eigens in einen eleganten englischen Teesalon, in dem Louis sich so heimisch fühlt, wie ein Orang-Utan im Pinguingehege. Alice nutzt die Preisverleihung schließlich, um ihren Ex reichlich lächerlich zu machen. Dieser scheucht Boy George von der Bühne, um selbst einen flotten, albernen Chanson zum Besten zu geben. Trockenster englischer Humor und französische Nonchalonce prallen in dieser Szene aufeinander, dass es kracht.
Als Alice mit ihrem Mann gerade den Saal verlassen will, bricht Louis auf der Bühne zusammen.

Zaghafte Annäherung und eine Entdeckung

Nur ganz allmählich gelingt es Louis, der inzwischen als Kranker von Alices großzügigem Ehemann auf dem herrschaftlichen Landsitz untergebracht ist, seine ehemalige Freundin ins Gespräch über die gemeinsame Vergangenheit zu verwickeln. Bald ist klar, dass beide noch lebhafte Gefühle füreinander hegen. Klar ist auch, dass die Ehe zwischen Alice und Evlyn Gaylord nicht mehr ist, als innige Freundschaft, auch wenn die beiden einen wunderbaren erwachsenen Sohn haben. Doch als Louis erfährt, wann genau Paul zur Welt gekommen ist, kommt er ins Grübeln...

Nach langwierigen Vorbereitungen locker im Bett

Antoine de Caunes hat mit diesem Film eine ziemlich überdrehte Komödie geschaffen, die mit einigen witzigen Running Gags aufwartet und zwei wunderbare SchauspielerInnen präsentiert, denen man einiges abnimmt: nach umständlichen Vorbereitungen in Angst, für den anderen an Attraktivität verloren zu haben, stürzen die beiden sich unverkrampft und altersweise in ihr tete a tete. Da ist nichts aufzuschieben. Wer weiß, wie viele Gelegenheiten sich noch ergeben werden für eine aufregende Nacht zu zweit? Wären da bloß nicht die Falten und der nicht mehr ganz so frische Atem.

Im Handlungsverlauf wird das Tempo der Story zwar gedrosselt, die herrlich polemischen Wortgefechte verlieren sich, ebenso die drastischen Kontraste zwischen englischer Correctness und französischer Schludrigkeit. An die Stelle all dieser Raffinessen treten zögernde Annäherungen, tastendes Ausloten, was die Zukunft für diese beiden noch Aufregendes bereithält. Das ist liebevoll und anrührend erzählt und handelt ganz nebenbei von so existentiellen Fragen, wie der, ob man sich richtig entschieden hat im Leben. Und ob Recht haben allein glücklich macht.

AVIVA-Tipp: Ein witziger SchauspielerInnenfilm, der leichte dramaturgische Mängel durch opulente Sets und eine durchweg großartige Leistung der DarstellerInnen wettmacht. Dabei hat diese Komödie neben messerscharfen Wortgefechten, die immer viel zu schnell vorbei flitzen, auch tiefsinnige Einsichten über die Irrtümer der Altersweisen zu bieten.


Wir verstehen uns wunderbar (Désaccord parfait)
Frankreich 2006
Regie und Buch: Antoine de Caunes
DarstelerInnen: Charlotte Rampling, Jean Rochefort, Isabelle Nanty, Ian Richardson u.v.a.
92 Minuten
Kinostart 03.01.2008
Ohne Alterbeschränkung
Verleih: Movienet


Kunst + Kultur

Beitrag vom 30.12.2007

AVIVA-Redaktion